Kliniken & Fachärzte Passau / Deggendorf 2023

ANALGETISCHE BESTRAHLUNG | FACHBEITRAG FACHBEITRAG | ANALGETISCHE BESTRAHLUNG © Hintergrund: Sergey Nivens; bittedankeschön - stock.adobe.com 2018 wurden zwei niederländische Studien publiziert, die ebenfalls placebokontrolliert randomisiert durchgeführt wurden. Auch diese Studien konnten keinen über die Placebogruppe hinausgehenden Effekt beweisen, wobei ein sehr großer Anteil der Patienten weit fortgeschrittene Erkrankungen aufwies, bei denen ohnehin kein Therapieeffekt zu erwarten war. Kürzlich wurden zudem die Dreimonatsdaten der deutschen ArthroRadStudie veröffentlicht, die eine Standard-Bestrahlung mit 6 x 0,5 Gy mit einer Behandlung mit 6 x 0,05 Gy verglich. Überraschenderweise fand sich auch in dieser Studie kein Unterschied zwischen den Vergleichsgruppen. Zu bedenken ist, dass bislang lediglich circa 379 Patienten in insgesamt fünf randomisierten Studien verglichen wurden. Kürzlich veröffentlichte Berechnungen legen nahe, dass mindestens 750 gut vergleichbare Patienten notwendig wären, um einen Effekt mit guter Sicherheit zu finden. Entsprechend lohnt sich ein Blick in die Daten, welche in sehr großem Umfang vorliegen. Mehr als 10.000 Patienten wurden insgesamt in diversen Arbeiten zusammengetragen und in Metaanalysen untersucht. Es wird von einem Behandlungseffekt berichtet, der bei bis zu 80 Prozent der Patienten zu einer Linderung der Beschwerden führen kann. Ob dies nun ein echter therapeutischer Effekt oder ein Placebo-Effekt ist, lässt sich auch aus den Daten zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher schlussfolgern. Entsprechend des dargelegten wissenschaftlichen Spannungsfeldes qualifiziert sich die Strahlentherapie – zum jetzigen Zeitpunkt – nicht als Erstlinientherapie. Sollten konservative Therapien ausgeschöpft sein und keine ausreichende Wirkung erzielen und/oder operative Therapien nicht möglich oder gewünscht sein, so kann eine niedrigdosierte Strahlentherapie eine potenziell wirksame Therapieoption darstellen. Grundsätzliche Kontraindikationen Alter Bei Patienten unter 30 Jahren sollte generell keine schmerzlindernde oder entzündungshemmende Behandlung mit ionisierenden Strahlen erfolgen. Bei Patienten im Alter zwischen 30 und 40 Jahren kommt die Behandlung nur bei Ausschöpfung aller konservativen Behandlungsoptionen und deutlicher Einschränkung der Lebensqualität in Betracht. Wir raten hier zur Einholung einer Zweitmeinung, um das individuelle Risiko einer Malignominduktion einschätzen zu können. Schwangerschaft Schwangere und stillende Frauen sollten ebenso keine Strahlentherapie zur Behandlung benigner Indikationen erhalten, da ein teratogenes Risiko nicht auszuschließen ist. Frauen im gebärfähigen Alter sollten vor Beginn der Behandlung für einen Ausschluss vorsorglich einen Schwangerschaftstest durchführen lassen. Während bis drei Monate nach der Strahlentherapie sollte zudem eine Schwangerschaft verhindert werden. Wirbelsäulenbehandlungen Arthrosen des Stammskeletts, zum Beispiel der Facettengelenke der Wirbelsäule, stellen keine Indikation zur Strahlentherapie dar, da hier ein erhöhtes Leukämierisiko beschrieben wurde. Selbstverständlich betrifft dies nicht die Behandlung maligner Indikationen wie Metastasen – diese stellen eine gesicherte Indikation dar. Erbkrankheiten Sehr seltene genetische Syndrome wie beispielsweise das LiFraumeni-Syndrom oder das Ataxie-Teleangiektasie-Syndrom sowie weitere DNA-Reparaturdefekt-Syndrome stellen absolute Kontraindikationen dar. Medikamente Patienten unter Behandlung mit Methotrexat oder Olaparib sollten nur nach sehr sorgfältiger Indikationsstellung behandelt werden. Ablauf und Technik Indikationsstellung Vor Beginn der Strahlentherapie wird durch Erhebung der Anamnese, Würdigung der Bildgebung sowie die sorgfältige klinische Untersuchung die Indikation zur Strahlentherapie geprüft. In manchen Fällen werden zunächst weitere diagnostische Maßnahmen eingeleitet, bevor die Behandlung eingeleitet wird. Der überweisende Arzt sollten seinem Patienten zur Vorstellung bei uns alle verfügbaren Befunde und Bildgebungen als CD mitgeben, um Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Bestrahlungsplanung Vor Beginn der Behandlung erfolgt die sogenannte „Planung“. Dieser Prozess beginnt mit der Lagerung, also der Positionierung des Patienten in einer bequemen, aber genau reproduzierbaren Behandlungsposition. Im Anschluss erfolgt ein Planungs-CT, welches als Grundlage zur Berechnung der notwendigen Strahlendosis dient. Der Patient wird quasi am Computer „vorbehandelt“ bevor die Behandlung beginnt. Die Behandlung kann mit „weichen“ Röntgenstrahlen, Elektronen oder „harten“ Röntgenstrahlen erfolgen. In vielen Fällen werden die für die onkologische Therapie eingesetzten Linearbeschleuniger herangezogen, da diese über eine besonders flexible Strahlformung und Energiewahl verfügen und entsprechend vielseitig einsetzbar sind. Eine Bestrahlung mit Elektronen, die ein besonders günstiges Tiefendosisprofil aufweisen, ist nur am Linearbeschleuniger möglich. Wenngleich die überwiegende Mehrzahl der Studien mit den „weichen“ Röntgenstrahlen der Orthovoltgeräte durchgeführt wurden und unterschiedliche biologische Effekte von „weichen“ und „harten“ Strahlen wissenschaftlich gut dokumentiert sind, wurden die Behandlungstechniken nie randomisiert verglichen. Da die absorbierte Dosis beider Techniken nahezu identisch ist, gehen wir jedoch davon aus, dass die Behandlungen am Linearbeschleuniger zur Therapie am Orthovoltgerät auch im klinischen Effekt gleichwertig sind. Behandlung Für jede Behandlung wird der Patient wieder in die Positionierung gebracht, die er oder sie beim Planungs-CT eingenommen hat. Diese Position wird dann mittels eines Röntgenbildes noch einmal dokumentiert. Die Behandlung selbst dauert dann nur wenige Minuten. Während dieser Zeit ist der Patient allein im Raum, Begleitpersonen sind bei der Behandlung nicht möglich. Die Behandlung wird mehrfach wiederholt und erfolgt drei- bis fünfmal pro Woche für zunächst sechs Sitzungen. Wirkeintritt Typischerweise tritt die Wirkung der Bestrahlung mit einiger Verzögerung ein. Meist ist nach sechs bis acht Wochen bereits eine deutliche Verbesserung zu bemerken, einige Patienten berichten jedoch auch von einer veränderten Schmerzqualität, was auf eine veränderte Entzündungsbiologie hinweisen kann. Nachsorge Zehn bis zwölf Wochen nach Abschluss der Behandlung stellen sich die Patienten erneut zur klinischen Untersuchung in der Praxis vor. Sollte zu diesem Zeitpunkt kein befriedigendes Ergebnis bestehen, so kann eine zweite Behandlungsserie erfolgen. Sechs Monate nach der letzten Behandlung nehmen wir telefonisch Kontakt zu unseren Patienten auf. Eine weitere reguläre Nachsorge erfolgt nicht. 90 91

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