Kliniken & Fachärzte Passau / Deggendorf 2023

Degenerative und entzündliche Erkrankungen können für die betroffenen Patienten eine große Belastung darstellen, was mit einem erheblichen Verlust an Lebensqualität einhergehen kann. In der evidenzbasierten Therapie stehen hier verschiedene Behandlungsoptionen zur Verfügung. Eine davon kann, bei Ausschöpfung anderer Behandlungsoptionen, die sogenannte Röntgen-Reizbestrahlung sein. Diese Behandlung, ihre Wirksamkeit, mögliche Risiken sowie den Ablauf möchten wir Ihnen im Folgenden erläutern. ANALGETISCHE BESTRAHLUNG | FACHBEITRAG FACHBEITRAG | ANALGETISCHE BESTRAHLUNG © romaset - stock.adobe.com SCHMERZEN BESTRAHLEN, LEBENSQUALITÄT ZURÜCKGEBEN RADIO-LOG: zur Therapie von Entzündungen und Arthrosen Die beiden häufigsten Indikationen Enthesiopathien Bei den Enthesiopathien handelt es sich um akut entzündliche Veränderungen bereits degenerativ veränderter Sehnenansätze. Die häufigsten Lokalisationen sind das Fersenbein (Achillodynie und entzündlicher Fersensporn) und der Ellenbogen, im Volksmund „Tennisellenbogen“ genannt, sowie die Hüfte, mit Beteiligung des dortigen Schleimbeutels (Bursitis trochanterica). Typische Symptome sind Dehnungsschmerzen, wie sie zum Beispiel beim ersten Auftreten im Bereich der Ferse beschrieben werden. Als Zeichen der lokalen Entzündung kommt zudem ein Druckschmerz über dem Sehnenansatz vor. Bei ausgeprägteren Prozessen kann die Entzündung auf benachbarte Strukturen wie Knochen oder Sehnen übergreifen und entsprechend auch Dauerschmerzen auslösen. Die Symptomatik wird dabei zum überwiegenden Teil durch die Entzündung ausgelöst, die Degeneration oder der Fersensporn sind häufig klinisch stumm – also ohne Beschwerden. Die Wirkung der Strahlentherapie wurde insbesondere für den Fersensporn in randomisierten Studien im Vergleich mit einer sehr niedrig dosierten Bestrahlung (6 x 1 Gy vs. 6 x 0,1 Gy) untersucht. Die Studie wurde aus ethischen Gründen vorzeitig beendet, da bereits früh ein deutlich signifikanter Beleg für die Behandlung mit 6 x 1,0 Gy bestand. In der Folge wurden Dosiseskalations- und Deeskalationsstudien durchgeführt, welche ihr Optimum in der in Leitlinien empfohlenen Dosis von 0,5 Gy x 6 fanden. Weitere Studien untersuchten, ebenfalls prospektiv und randomisiert, die Wirkung der Strahlentherapie im Vergleich zu alternativen Therapien, wie zum Beispiel Injektionen mit Corticosteroiden. Hier wirkt die Strahlentherapie besser. Bei einer Injektion mit plättchenreichem Plasma war der Effekt gleichwertig. Bedingt durch das grundsätzlich nicht auszuschließende onkogene Potenzial ionisierender Strahlen sollte die Strahlentherapie dennoch nicht die erste Behandlungsform sein. Die Behandlung mit nicht-strahlentherapeutischen Behandlungsoptionen sollte im Vorfeld erfolgen. Hierzu können Einlagen, die Behandlung mit Stoßwellen oder die Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika zählen. Entsprechend der aktuellen Leitlinie kann eine Strahlentherapie danach ab einer Schmerzdauer von drei Monaten durchgeführt werden. Eine frühere Behandlung sollte nicht erfolgen, da innerhalb der ersten drei Monate eine Vielzahl von Beschwerden bereits ohne Strahlentherapie endet. Für die Indikationsstellung sollte ein radiologischer oder MR-morphologischer Nachweis der Erkrankung erbracht sein. Die entsprechenden Befunde sollten den Patienten bei der Überweisung mitgegeben werden. Zusammenfassend ist die entzündungshemmende Strahlentherapie eine gute, nebenwirkungsarme Behandlung. Bei bis zu 90 Prozent der Patienten erzielt sie eine andauernde Schmerzreduktion. Die Ursache selbst, also die Degeneration der Sehnenansätze, bleibt jedoch weiter bestehen. Daher ist es besonders wichtig, dass die Patienten die zur Degeneration führenden Umstände kennen und versuchen, diese zu vermeiden. Hierzu Bestrahlungsfeld bei plantarem und dorsalem Fersensporn Bestrahlungsfeld bei Epicondylitis humerus radialis (mit begleitender Tendinitis) zählt das Tragen eines guten Schuhwerkes oder eine Gewichtsreduktion. Arthrosen Arthrosen sind degenerative Veränderungen von Gelenken, die sich häufig durch einen niederschwelligen Dauerschmerz auszeichnen. Die Symptomatik ist durch belastungsabhängige Schmerzen geprägt. In fortgeschrittenen Stadien kann es zur aktivierten Arthrose mit Gelenkergüssen kommen, bei weit fortgeschrittenen Erkrankungen kommt es zur Deformation des Gelenks. Häufige Lokalisationen sind die Gelenke der Hand, insbesondere das Daumengrund- und Sattelgelenk, oder die Interphalangealgelenke zwischen den Fingergliedern. Die Schmerzsymptomatik korreliert nicht zwingend mit dem Ausmaß der Gelenkdestruktion. Vielmehr ist die Symptomatik multifaktoriell: mit Anteilen einer symptomatischen Degeneration und Anteilen einer akuten Entzündungsreaktion, der aktivierten Arthrose. Letztere ist das Ziel vieler therapeutischer Maßnahmen, unter anderem auch der Strahlentherapie. Infrage kommt die Strahlentherapie dabei in den Stadien 2 bis 4 nach Kellgren, also grundsätzlich nicht, bevor es zu radiologisch nachweisbaren Veränderungen gekommen ist. © Khunatorn – stock.adobe.com Der wissenschaftliche Wirknachweis der Strahlentherapie ist, bedingt durch die heterogene Pathophysiologie der Beschwerden, nicht leicht zu führen. Wir verfügen über insgesamt fünf randomisierte Studien zu diesem Thema. Zwei Studien aus den 1970er Jahren befassten sich mit der Arthrose in Knie- und Hüftgelenken. Beide Studien waren placebokontrolliert, konnten jedoch keinen Vorteil der Strahlentherapie beweisen. Ursächlich könnten hierfür die verhältnismäßig geringe Patientenzahl und die kurze Nachbeobachtungszeit sein, denn es wurde nur über sechs Wochen nachverfolgt. © Hintergrund: bittedankeschön - stock.adobe.com 88 89

RkJQdWJsaXNoZXIy MTYzMjU=