espresso - 10/2020

30 KULTUR Am 7. November darf sich Ingolstadt auf Ihr Konzert im Rahmen der Jazztage freuen. Was erwartet die Zuhörer? Sie können natürlich viele Titel meiner beiden Alben erwarten, z.B. Songs von meinemDebütal- bum „Jugendstil“ mit berühmten klassischen The- men (wie z.B. Beethoven’s Schicksal Sinfonie), interpretiert in meinem eigenen Stil, sowie meine eigenen Kompositionen von meinem zweiten Album „My Piano“. Ich plane allerdings nicht alle Songs für ein Konzert, ich entscheide immer erst kurz vorher, was genau ich spielen möchte, je nachdem, wie ich mich an diesemTag fühle. Zudem entsteht ein großer Teil meines Konzerts spontan auf der Bühne, deswegen weiß ich oft selbst nicht, was alles an diesemAbend passieren wird. “ Ich mag es, mit den Zuschauern zusammen zu musizieren und meine Setlist zu vervollständigen. Ich freue mich daher immer, wenn sie mein Konzert mit offenem Herzen besuchen. Vor allem die Live-Improvisation zeichnet Ihre Konzerte aus. Das Publikum ruft Ihnen Begriffe zu, die Sie dann spontan musikalisch umsetzen. Ist das ein fester Bestandteil Ihrer Konzerte? Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Diese Art von Improvisation ist kein Muss. Aber ich frage in fast jedemKonzert das Publikum nach Ideen und improvisiere dann. Das alles hat auf einemKonzert meiner „Jugendstil“ Tournee in Deutschland angefangen, dass ich zum ersten Mal eine Echtzeit-Komposition auf der Bühne gespielt habe: ich habe das Publikum um ein schönes Thema gebeten und dann einen Song daraus gemacht. Dem Publikum hat es gut gefallen und ich wurde auf weiteren Konzerten immer öfter darum gebeten. Manchmal änderte ich sogar meine gesamte Setlist und integrierte mehr freie Improvisationen. Amwichtigsten für mich ist, dass ich konsequent improvisiere, sodass die Leu- te meine Musik gut nachverfolgen können. Alle im Saal müssen das Thema immer fühlen können. Es ist also immer wie ein Abenteuer. Das macht mir Spaß, diese besonderen Elemente zu verwen- den und es ist der faszinierendste Moment des Konzerts für mich. “ Deswegen nehme ich jedes Konzert auf. Denn so verschwinden diese neu geborenen Stücke nicht, sondern können sogar Teil meines neuen Albums werden. Improvisieren mussten Sie auch, als Sie vergan- genes Jahr wegen eingeklemmter Nerven eine Hand nur eingeschränkt bewegen konnten und daher manche Konzerte einhändig spielten – zumindest ist das im Internet zu finden. Ist die- se Geschichte wahr und wie war die Erfahrung, ein Konzert einhändig zu spielen? Ja. Das ist tatsächlich wahr! Dieses Video stammt vom PALATIA JAZZ Festival. Zu dieser Zeit litt ich an sehr starken Handschmerzen mit vielen Symptomen wie Tendinitis, Triggerfinger und Handgelenksschmerzen. An diesemTag waren die Schmerzen an meinem rechten Handgelenk sehr stark. Ich hatte zuerst normal, aber lockerer gespielt, hatte aber das Gefühl, dass der Schmerz nur stärker wurde. Daher spielte ich hauptsäch- lich nur mit der linken Hand und meine rechte Hand half manchmal etwas. Der Veranstaltungs- ort war eine alte Kirche, sodass ich die tolle Akustik zur Unterstützung nutzen und sanfter spielen konnte als sonst. Es war eine herausfor- dernde Situation für mich, die ich so noch nicht erlebt hatte, daher bin ich froh, dass ich meine Idee, spontan mit der linken Hand zu improvi- sieren, umsetzen konnte. Später habe ich dann herausgefunden, dass ich nicht die Einzige war, die so etwas gemacht hat. Skrjabin komponierte auch linkshändige Stücke, abhängig von seinen Schmerzen in der rechten Hand. Nun geht es mir zumGlück wieder besser. Seitdem gehe ich auch viel bewusster mit meinen Händen um. Musik beiseite, wofür schlägt Ihr Herz noch? Interessant für mich ist immer alles, was kreativ, innovativ oder anders als das Bisherige ist. Kunst, Mode oder Tanzen sind zum Beispiel meine Lieb- lingsthemen. Aber auch Politik oder Philosophie, da man viel über verschiedene Sichtweisen er- fährt. Meine Mutter ist ebenfalls sehr kreativ und hat viele Ideen zumThema Mode und Stil. Ich habe zum Beispiel meine Bühnenkostüme zusam- men mit meiner Mutter und einer koreanischen Designerin entworfen. Vom leeren Blatt, über die Ideensammlung bis zum fertigen Resultat: es ist der gleiche Prozess wie Musik komponieren. Das fand ich wirklich sehr spannend. In der Süddeutschen Zeitung ist über Sie zu lesen, Sie hätten einen „Schuh-Fimmel“. Wie viele Schuhe besitzen Sie? Ich habe nicht gezählt, wie viele ich tatsächlich besitze. Ich glaube, es ist jede Farbe und fast jeder Stil vertreten. All die Dinge, die ich trage - eben auch die Schuhe - können meine Stimmung inspirieren und beeinflussen und das gefällt mir. Wenn ich z.B. hohe Absätze trage, dann kann ich sozusagen eine ganz andere Luft einatmen. Oder wenn ich Sneakers trage, dann fühle ich mich sportlicher. Mein Großvater sagte immer: "Schuhe vervollständigen das Outfit und den Eindruck.“ Der Grund, warum ich so viele verschiedene Schuhe besitze ist gewiss nicht, um mit meinen Schuhen anzugeben, sondern dass ich damit ausdrücken möchte, was ich fühle. Welchen Beruf hätten Sie, wenn Sie nie zur Musik gefunden hätten? Schon als ich vier Jahre alt war, war mir klar, dass ich Musikerin sein möchte. Ich habe mir nie etwas anders vorgestellt. Es gab und gibt immer nur Musik für mich, deshalb ist diese Frage schwierig zu beantworten. Natürlich gab es auch andere Dinge, an denen ich als Kind interessiert war, z.B. Tanzen, Malen, Eiskunstlauf, Schreiben, Debattie- ren und so weiter. “ Wenn ich mich für einen anderen Job hätte entscheiden müssen, hätte ich vielleicht Tänzerin, Modedesignerin, Journalistin, Politikerin oder Malerin gewählt… Wer weiß!

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