espresso - 10/2020

Erst Seoul, dann London, im Jahr 2010 schließlich der Umzug in die Nähe von Ansbach. Von zwei Millionenmetropolen in ein beschauliches bayerisches Städtchen: stellt das die eigene Art zu leben nicht radikal auf den Kopf? Wie sind Sie damit umgegangen? Ja, das ist eine radikaleWende. Aber es wirkt sich für mich sehr positiv aus. Ich bin in Seoul aufgewachsen und war dort immer von vielen Leuten, vielen Hochhäusern, viel Verkehr und viel Werbung umgeben. Jetzt wohne ich in einer kleinen Stadt in Franken und habe einen anderen Lebensstil. Hier sehe ich viel Natur, den Horizont, kann jeden Tag Vogelgezwitscher hören - so fühle ich mich sehr friedlich und kann mich gut auf meine Musik konzentrie- ren. Und wenn ich mich ein bisschen einsam fühle und ich Zeit mit meiner Familie und meinen koreanischen Freunden verbringen will, dann fliege ich einfach nach Korea und nehme so die Energie aus meiner Heimatstadt in mich auf. Ich sehe in beiden Lebensstilen positive Aspekte und nehme diese für mich mit. Denken Sie, dass sich durch Ihren Umzug auch Ihre Musik radikal geändert hat? Anders gefragt: Denken Sie, dass Sie in einer pulsieren- den Millionenstadt die gleiche Musik schreiben, wie in einer ländlichen bayerischen Gegend? Oder spielt das keine Rolle, weil die Musik Ihrem innersten Selbst entspringt – völlig unabhängig von der Umgebung? Einerseits hat die Umgebung meine Musik beeinflusst und andererseits aber auch nicht. Als ich in Seoul lebte, traf ich viele verschiedene Leute, somit war der Einfluss von außen definitiv größer. Aber jetzt lebe ich in einer kleineren ländlichen Gegend und die ruhige Natur gibt mir eine andere kreative Ener- gie sowie einen freien musikalische Kopf. Seitdem ich in Europa lebe, habe ich das Gefühl, dass ich in der Musik alles ausprobieren kann und ich spüre viel Freude dank dieser Freiheit. Es gibt mir mehr Mut, etwas Neues auszuprobieren und hilft mir, authentischer zu sein. Ich glaube, das liegt vor allem an den Menschen, nicht nur an der Stadt oder an dem Land, in dem ich wohne. Europäer sind offener für etwas Neues: sie schätzen es immer, wenn Künstler, selbst Newcomer, etwas Neues ausprobie- ren. Das hat mich sehr beeindruckt. Wenn es allerdings um eine Auftragsarbeit geht, wenn ich z.B. einen Kla- vierwalzer für eine Szene einer deutschen Fernsehserien schreibe, dann ist es egal, an welchemOrt ich mich während der Arbeit daran aufhalte. Er hat keinen Einfluss auf meine Musik. FAC T S Y GEBOREN Seoul Y STUDIUM Klassisches Piano, Yonsei University Seoul Y PROFESSORIN FÜR MUSIK Hochschule für Kunst & Kultur Seoul Y DEBÜTALBUM "Love" (2006)

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