STRAUBINGER STADTMAGAZIN

16 Leben | STRAUBINGER irgendwie anders riechen. Und das empfinden sie auch als unangenehm. Liebe soll ja bekanntlich blind machen. Was ist an diesem Sprichwort dran? Das kann mit unserem Belohnungssystem zu tun haben. Weil uns das dazu bringt, alle Erfahrungen, die wir mal als positiv bewertet haben, immer wieder aufzusuchen. Das Belohnungssystem ist auch bei der Entstehung von Suchterkrankungen beteiligt. Wer zum Beispiel häufig Alkohol trinkt, bei dem wird das Belohnungssystem aktiviert und er kann die Finger schlecht von der Droge lassen. Der zweite Faktor, warum Liebe „blind“ macht, ist der gefallene Serotoninspiegel. Der bewirkt, dass man gedanklich immer um das zwanghafte Objekt kreist, den Verliebten. Man bekommt einen Tunnelblick. Außerdem werden beim Küssen, bei Körperkontakt und beim Geschlechtsverkehr Oxytocin und Vasopressin ausgeschüttet. Diese Botenstoffe erzeugen ein Gefühl von Nähe und Vertrautheit. Dadurch wird man darauf gepolt, die Schwächen des Partners zu übersehen, um bei ihm zu bleiben und so den Nachwuchs zu schützen. Bindet uns also das Oxytocin länger an einen Partner, wenn die erste Verliebtheit verflogen ist? Genau, Oxytocin bindet uns an den Partner. Die Gefahr von zu viel Bindung ist aber, dass auch unser Belohnungssystem immer neue Reize will. Es möchte einerseits Reize, die wir kennen, also zum Beispiel denselben Partner. Aber neue Reize haben einen höheren Belohnungseffekt. Auch das hat zum Teil wieder mit unseren genetischen Anlagen zu tun. Die Evolution braucht Abwechslung. Längere Partnerschaften halten deshalb besser, wenn Bindung und Neues miteinander kombiniert werden. Ist Treue lang- fristig gesehen also eher schwierig? Rein hormonell gesehen, müssen Paare auf Dauer viel dafür tun, um eine Mischung aus Bindung und neuen Anregungen zu bekommen. Nach zwei, drei Jahren lässt die Verliebtheit nach und man muss sich selbst Kicks von Verliebtheit schaffen. Sonst wird es zu langweilig und man sucht sich außerhalb der Partnerschaft etwas Neues. Denn biochemisch gesehen gibt es irgendwann eine Art „Abnutzungseffekt“, wenn der andere zu sehr zur Gewohnheit wird. Abwechslung in langen Beziehungen kann es zum Beispiel durch Reisen oder Aktivitäten geben, die Adrenalin ausschütten – wie Sport. Ist es heute durch Apps wie Tinder noch schwieriger geworden, treu zu bleiben? Ja. Denn heute sind durch Dating-Apps geschlechtsverkehrbereite Individuen in OrtsAdrenalin: Ein Stresshormon, das den Blutdruck und die Herzfrequenz erhöht. Belohnungssystem: Ein kleines Netz aus Hirnarealen, in denen das meiste Dopamin entsteht. Dopamin: Sorgt für das Glücksgefühl bei bestimmten Tätigkeiten wie beim Essen oder Sex. Noradrenalin: Ein Stresshormon, das eng mit Adrenalin verwandt ist. Es regt den Herzkreislauf, die Stimmung und Lust an. Oxytocin: Ein „Bindungshormon“, das das Vertrauen stärkt und soziale Bindungen entstehen lässt. Serotonin: Ein Wohlfühlhormon, das wichtig für unsere Stimmung ist. Vasopressin: Ein Bindungshormon, das unter anderem dafür sorgt, dass die Genitalorgane stärker durchblutet werden.

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