Anpfiff - Das Fußballmagazin für die Region

Fußball in der Region – präsentiert von der 20 Saison 2023 / 24 Fußball in der Region – präsentiert von der Saison 2023 / 24 21 „Fusionitis“ greift immer mehr um sich Mittlerweile sind 26 Spielgemeinschaften im Fußballkreis Niederbayern West gemeldet. Der Verband sieht’s mit Sorge – doch die Vereine berichten von durchwegs positiven Erfahrungen Von Ferdinand Mader Volle Bundesligastadien, unschlagbare Einschaltquoten im Fernsehen – „König Fußball“ regiert wie eh und je das Land. Doch jenseits des „Parallel-Universums“ Profifußball bröckelt’s an der Basis des Lieblingssports der Deutschen. Den Amateurvereinen in den unteren Ligen laufen scharenweise die Spieler davon – die klassischen Mannschaftssportarten haben es im Zeitalter der Individualisierung und der „Work-Life-Balance“ immer schwerer bei den jungen Leuten. Die Folgen blieben auch im Fußballkreis Niederbayern West nicht aus: 26 Spielgemeinschaften kicken 2023/24 zwischen Donau, Laaber, Isar, Rott und Inn. Allein heuer sind mit Weihmichl/Neuhausen, Pfaffenberg/Oberlindhart, Sandharlanden/Bad Gögging, Essing/ATSV Kelheim II, Wildenberg/Biburg/Kirchdorf II und Pfeffenhausen/Hornbach sechs neue SGs hinzugekommen. Und dazu noch die Vereins-Neugründung FC Velden-Eberspoint. „In den beiden letzten Jahren haben wir eine komplette Liga verloren, sodass es eine Ligen-Reform mit nur noch vier statt fünf Kreisklassen gab“, sieht Kreisspielleiter Herbert Hasak den gesellschaftlichen Wandel mit Sorge. Mit einzelnen Maßnahmen wie die 9:9-Regelung als Notlösung im Reserve-Spielbetrieb oder die Verschiebung der Anstoßzeiten auf 14 und 16 Uhr mit der Möglichkeit, dass die Reserve nach der 1. Mannschaft spielt, versucht der Verband, diesem Trend entgegenzusteuern. „Die Spielausfälle sind weniger geworden“, sieht Hasak erste Erfolge, weiß aber auch: „Grundsätzlich können wir diese gesellschaftliche Entwicklung nicht verhindern.“ Zumal die Vereine offensichtlich keine Probleme damit haben, sich mit einstigen Lokalrivalen zusammenzutun und damit sogar auf zugkräftige Derbys zu verzichten. Bei unserer kleinen Umfrage berichten jedenfalls alle befragten Clubvertreter von positiven Erfahrungen und sehen ihr SG-Projekt langfristig angelegt. Und auch Herbert Hasak ist überzeugt: „Vereine, die sich ehrenamtlich in einer Gemeinschaft engagieren – und dazu zähle ich ausdrücklich auch die Eltern – werden weiterhin Zulauf haben und erfolgreich überleben.“ Hier die Aussagen der von uns befragten SG-Vertreter – Toni Hohenester (SG SC Weihmichl/SV Neuhausen): Die bereits bei den Reservemannschaften bestehende SG wird zur Saison 23/24 auf beide Herrenteams erweitert. Ausschlaggebend dafür war der fortschreitende Spielermangel. Die SG ist langfristig ausgelegt, da bei beiden Vereinen aus den Jugendmannschaften künftig nicht mehr nachkommen wird als ältere Spieler aufhören werden. Aktuell kommen etwa zwei Drittel der Spieler vom SC Weihmichl, ein Drittel vom SV Neuhausen. Bisher haben wir, was das Organisatorische betrifft, nur positive Erfahrungen gemacht, alles läuft absolut reibungslos und harmonisch ab. Nach den guten Erfahrungen mit der ReserveSG sind wir uns sicher, dass auch eine komplette SG funktionieren wird. Roman Prinzhaus und Kilian Heller (FC Velden-Eberspoint): Wir haben uns bewusst für eine Vereinsgründung entschieden, um für die Zukunft vorbereitet zu sein und um dem Spielermangel in den nächsten Jahren frühzeitig entgegenzuwirken. Schon seit vielen Jahren gibt es eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Jugendbereich. Wir wollen nicht mehr, dass sich die Spieler beim Wechsel in den Herrenbereich für einen der Vereine entscheiden müssen, sondern gemeinsam mit ihren Freunden in einer Herrenmannschaft weiterspielen können. Die Anzahl der Spieler aus beiden Vereinen ist fast gleich, deshalb gibt es drei Herrenteams. Die Zusammenarbeit ist natürlich langfristig geplant und funktioniert in allen Bereichen sehr harmonisch. Alle ziehen an einem Strang und wir können es kaum erwarten, unsere ersten Spiele an den beiden Standorten Velden und Eberspoint auszutragen. Manfred Schranner (SG TSV Rottenburg/SV Oberhatzkofen): Die SG besteht seit 2016 und entstand, weil wegen des Spielermangels beide Vereine keine Reserve mehr hätten stellen können und wir nur noch minimal Spieler im Training gehabt hätten. Aktuell haben wir durchschnittlich 21 Spieler im Training. Unsere Aktiven verteilen sich etwa 50:50 auf beide Vereine. Die SG ist langfristig ausgelegt. Es gibt einen guten Zusammenhalt, die jungen Leute unternehmen auch außerhalb des Fußballs vieles gemeinsam, zum Beispiel in der Hatzkofener Landjugend, die es in Rottenburg nicht gibt. Wir helfen uns auch gegenseitig bei den Platzaufgaben und bei der Reinigung der Sportheime in Rottenburg und Oberhatzkofen. Bei der Jugend gibt es eine SG mit dem SV Pattendorf (ist im Herrenbereich noch eigenständig unterwegs, d. Red.) mit guten Trainern und höherklassig spielenden Mannschaften. Die B-Jugend spielt sogar in der Bezirksoberliga. Die Zukunft ist gesichert. Fortsetzung auf Seite 21 OPTIMISTISCH IN DIE ZUKUNFT: Der SV Neuhausen und der SC Weihmichl haben sich zusammengetan – darauf sind (von links) SVN-Spartenleiter Christian Meier, Bernhard Steimle, Jürgen Stadler, Christoph Holland sowie die SCW-Abteilungschefs Julian Stahn und Toni Hohenester mächtig stolz. Foto: pr Herbert Hasak Kilian Heller (Velden/re.) und Roman Prinzhaus (Eberspoint) Manfred Schranner Fortsetzung von Seite 20 Richard Riebesecker (FC Bonbruck/Bodenkirchen 07): Unseren eigenständigen Fußballverein gibt es seit Mai 2007, hervorgegangen aus den jeweiligen Fußballabteilungen des SC Bodenkirchen und des SV Bonbruck. Ausgangspunkt war, dass die D-Jugendteams beider Vereine seit etwa 1995 eine Spielgemeinschaft bildeten und die Spieler sich so gut verstanden, dass sie bis zum Herrenbereich zusammen bleiben wollten. Außerdem hätten beide Vereine auf absehbare Zeit keine Reserve mehr stellen können. Zum Start des FCBB stellten beide Stammvereine jeweils die Hälfte der Aktiven, derzeit kommen etwa 70 Prozent der Herren- und Jugendspieler vom SV Bonbruck und 30 Prozent vom SC Bodenkirchen. Unsere langjährigen Erfahrungen mit der Fusion sind durchwegs positiv, das Ganze war von Anfang an langfristig angelegt. Beim Fusionsvertrag hatten sich alle drei beteiligten Vereine mit einer Ausstiegsklausel abgesichert. Durch gemeinsame Aktivitäten im Jugendbereich sind wir bis in die Bezirksliga aufgestiegen und spielen nun mit den Herren in der Kreisliga. Schmatzhausen: Überleben am Limit Es gibt sie noch, die kleinen Vereine, die „gallischen Dörfern“ gleich ihre Eigenständigkeit bewahren und sich gegen die grassierende „Fusionitis“ auflehnen. Zum Beispiel die SpVgg Schmatzhausen, mit dem Gründungsjahr 1932 einer der ältesten Vereine im Fußballkreis. „Wir wollen natürlich so lange wie möglich eigenständig bleiben, aber das wird immer schwieriger“, sagt SVS-Sportleiter Christian Schindlbeck. Gespräche mit Nachbarvereinen wie Neuhausen, Pfeffenhausen oder Rottenburg habe es immer wieder mal gegeben, die seien laut Schindlbeck aber meistens daran gescheitert, dass die potenziellen SG-Partner nicht über ihre Gemeindegrenzen hinausgehen wollten. Und so bewegt sich die SpVgg in der im neuen Spieljahr nur zehn Teams umfassenden A-Mainburg personell einmal mehr am absoluten Limit: „Unsere Reserve spielt von Haus aus mit der 9:9-Regelung – und von unseren paar Jugendspielern, die in JSGs kicken, kommen in den nächsten Jahren vielleicht zwei oder drei nach“, berichtet Schindlbeck. Dass überhaupt eine komplette „Erste“ zusammengehe, sei vor allem dem seit zwei Jahren in Schmatzhausen tätigen Spielertrainer Pier-Luigi Renghi zu verdanken. Der 30-jährige Ex-Landshuter (09, SVL) verstehe es immer wieder, seine italienischen Spezln als Zugänge für den Traditionsverein zu gewinnen und altbewährte SVS-Haudegen bei der Stange zu halten. Dass es immer mehr Spielgemeinschaften und Fusionen im Kreis gibt, führt Schindlbeck aber auch auf den Fußballverband zurück: „Seit Jahren fordern wir auf den Gruppentagungen vergeblich einen späteren Saisonstart. Trotz der kleinen Zehnerliga geht’s schon Anfang August und damit mitten in der Urlaubszeit wieder los. Früher dauerte die Herbstrunde bis Ende November, während heutzutage in der A-Klasse oft bei schönstem Herbstwetter bereits Winterpause ist“, sagt Schindlbeck. Von seinen Kickern haben sich bereits jetzt einige für die ersten Spieltage in den Urlaub abgemeldet und besonders der ohnehin mit einer dünnen Personaldecke ausgestatteten Reserve drohen gleich zum Auftakt Spielverlegungen oder gar -absagen. „Verletzen darf sich da niemand“, meint Christian Schindlbeck – und holt vorsichtshalber schon mal seine eigenen Kickstiefel hervor, die der 57-Jährige längst an den Nagel gehängt hatte. Richard Riebesecker Christian Schindlbeck Tobias Wittmann erneut aufgestiegen Der 27-jährige Schiedsrichter aus Essenbach pfeift ab der Saison 2023/24 in der 3. Liga Von Michael Selmeier Eine Karriereleiter hat viele Sprossen – einige davon hat Tobias Wittmann im Sauseschritt erklommen: Im Jahr 2010 bestand er die Schiedsrichterprüfung, danach ging’s über Kreisliga (2011), Bezirksliga (2012), Landesliga (2013) und Bayernliga (2015) in die Regionalliga (2017). Zudem war er in der A- und B-Junioren-Bundesliga unterwegs. Nach der Saison 22/ 23 hat er sich mit 27 Lenzen und als Unparteiischer für die dritthöchste deutsche Spielklasse qualifiziert. Nicht wirklich Neuland für ihn: „Ich bin dort schon seit 2020 als Assistent im Einsatz und kenne die Liga ganz gut“, sagt der gebürtige Landshuter, der für seinen Heimatclub SV Wendelskirchen pfeift und seit sechs Jahren in Essenbach lebt. Ein bisserl muss sich Tobias Wittmann noch gedulden, bis es Anfang August ernst wird. Seine Vorfreude ist freilich schon spürbar. „In der 3. Liga gibt es tolle Stadien“, erzählt er: „Und heuer kicken viele Vereine mit ganz viel Tradition mit.“ Nervös macht ihn das illustre Feld nicht. Er wirkt ziemlich gelassen – auch was seine eigenen Ambitionen anbelangt: „Mein Ziel ist es, in der Liga anzukommen“, sagt der 27-Jährige. Und träumt vermutlich von der nächsten Sprosse auf der Karriereleiter. ANDERES FLAIR,: „In der 3. Liga gibt es tolle Stadien und viele Vereine mit ganz viel Tradition“, sagt Tobias Wittmann. Foto: pr SG oder Fusionsclub? (fe) Was ist eigentlich der sport- respektive vereinsjuristische Unterschied zwischen einem Vereinszusammenschluss („Fusionsclub“) und einer Spielgemeinschaft (SG)? Den erklärt Kreisspielleiter Herbert Hasak wie folgt: Eine SG ist ein Zusammenschluss von mindestens zwei eigenständigen Vereinen bei Jugend oder Herren. Sie ist eine Notgemeinschaft wegen zu geringer Spielerzahlen. Bei den Herren kann eine SG nur auf Kreisebene spielen, ein Aufstieg in die Bezirksliga ist nicht möglich. Anders ist dies bei einer Gründung eines eigenen Vereins, zum Beispiel bei der SG Johannesbrunn-Binabiburg, dem FC Bonbruck-Bodenkirchen und jetzt beim FC Velden-Eberspoint. Hier haben die Fußballabteilungen einen neuen Verein gegründet, mit eigener Vorstandschaft und allem, was dazu gehört. Ein einzelner Verein hat auch Aufstiegsrecht in die Bezirksliga.

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