Landshuter Stadtmagazin

Von Christian Baier Die Kindergruppe beim Festzug 1950. Die Zuschauer warfen ihnen Geldmünzen zu. 22 | Bericht Die erste Landshuter Hochzeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde vom 25. Juni bis 9. Juli 1950 gefeiert. Helmut Siegl war damals neun Jahre alt, wohnte in Altheim und hatte sich mit einem von der Nachbarin geliehenen Rad am ersten Hochzeitssonntag auf den Weg gemacht. Der Sattel fehlte, aber er radelte einfach auf dem Gepäckträger sitzend in die Stadt. Seine Eltern bewirtschafteten einen kleinen Bauernhof und an den Sonntagen hatten die Kinder nach dem Mittagessen bis zur Stallarbeit am Abend Freizeit. Doch anstatt mit den Freunden in den Wäldern zu spielen, zog es ihn zu der unbekannten Veranstaltung in der Stadt. Als Verpflegungsgeld hatte er 35 Pfennige dabei. Doch da war die Angst um das geliehene Rad und er beschloss, einen sicheren Unterstand zu suchen. Mit dem Rad zur Landshuter Hochzeit Erinnerungen an einen außergewöhnlichen Sonntagsausflug im Jahr 1950 Der fand sich im Innenhof des Bräustüberls der Reichardt Brauerei in der Zweibrückenstraße, 20 Pfennige musste er dafür bezahlen. Aufgeregt ging er in die Innenstadt. In der Nähe der Residenz fand er einen freien Platz und wartete auf den Festzug, der kurz darauf begann. Er konnte sich nicht satt sehen an den bunten Kostümen, den Ritterrüstungen, den Fahnen und den Menschen, die dem Zug zujubelten. Er hatte das Gefühl, in eine völlig andere Welt geraten zu sein. Als sich der Zug dann auf den Weg zur Ringelstecherwiese machte, lief er einfach hinterher, doch an einer Schranke zur Wiese war dann für ihn Schluss. Ohne Eintrittskarte kam er nicht weiter. Durch Astlöcher im Bretterzaun, der die Wiese umgab, konnte er dann zumindest kleine Blicke auf die Reiter werfen, die im tollkühnen Ritt den Ring vom Galgen stechen mussten. Es war heiß und Helmut überprüfte seine spärliche Barschaft: Viel war es nicht mehr, eine Limo kostete 20 Pfennige und nach der Sache mit dem Rad fehlten also fünf. Da erinnerte er sich daran, dass die Zuschauer Geld warfen, als die große Kindergruppe vorbeigezogen war. Schnell rannte er in die Altstadt zurück. Tatsächlich fand er noch ein paar Münzen und konnte so seinen Durst stillen. Drei Jahre später zur nächsten Hochzeit radelte er wieder in die Stadt. Vorher hatte er jedoch der Nachbarin das alte Radl für fünf Mark abgekauft und einen Sattel besorgt. Tausende Zuschauer kamen in die Altstadt, um den festlichen Umzug zu verfolgen. z Helmut Siegl (82) ist heute ehrenamtlicher Heimatpfleger der Gemeinde Ergoldsbach. Er richtete das Heimatmuseum in der Gemeinde ein und kümmert sich um dessen Belange, vor allem um den geplanten Umzug in ein neues Gebäude. 2019 erhielt er die Ehrenbürgerwürde der Gemeinde. Er lebt mit seiner Frau in Kläham. Fotos: © „Die Förderer“ e.V., Helmut Siegl

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