Reisen + Trends

REISEN+TRENDS 30 Wintererlebnisse in ihrer Reinform Winterwandern in Osttirol ist eine ruhige, ungekünstelte Form des Tourismus Wandern in den Alpen im Sommer? Ja klar. Im Winter? Eher mit Schneeschuhen. Bergschuhe scheinen nicht das Mittel der Wahl. In Kartitsch ist das anders. Es ist das erste zertifizierte Winterwanderdorf der Alpen und man macht sich mit den Bergschuhen auf – auf präparierte Wanderwege. Lediglich bei Altschnee oder vereisten Flächen sollte man Grödel, leichte Steigeisen, unter die Schuhe spannen. „Kleine Schritte, langsames Tempo, so rutscht man nicht stark nach hinten raus“, erklärt Bergund Wanderführer Jan Salcher den Teilnehmern, wie sie mit den Grödel gehen müssen. Es ist Mitte März: Tagsüber bringt die Sonne den Schnee zum Schmelzen, während es nachts anzieht und an den Sonnenstellen eisiger Untergrund entsteht. Für das unbeschwerte Wandererlebnis greifen wir deswegen auf die Grödel zurück. Besonderes Taxi auf der Königsetappe Es steht die Königsetappe der Winterrouten an. Der knapp elf Kilometer lange Winterweitwanderweg Dorfberg mit seinen 680 Höhenmetern. Durch die Fahrt mit einem besonderen Taxi wurden sich jedoch ein paar Höhenmeter gespart – mit der Pistenraupe geht es von der Talstation des kleinen Lifts auf 1360 Metern den Dorfberg ein Stück hinauf. Zunächst führt der Weg beständig bergauf. Schnell gelingt es, mit den Grödel in seinen Rhythmus zu kommen. Das ist wichtig. So fällt es leicht, sich auf das Wesentliche beim Winterwandern zu konzentrieren – die Natur und den Schnee. Zunächst wechseln sich Licht- und Schattenpassagen ab. Stetiger Begleiter sind die Nadelbäume des Gebirgswaldes, zumeist Fichten und Lärchen. Immer wieder bleibt Wanderführer Jan Salcher stehen: „Wir haben hier wundervolle Bäume mit viel Flechtenbewuchs. In den Südalpen sind sie stärker bewachsen“, erklärt der 51-Jährige. Begeistert packt er sich die Flechte und analysiert sie mit einer Lupe, zeigt auf Baumbart hoch in den Hölzern und erklärt seine heilende Wirkung. Salcher kennt sich aus in der Flora und Fauna der Bergwelt, er hat auch die Ausbildung zum Nationalpark-Ranger. Nach dem Aufstieg geht es auf einem Hochplateau weiter, der anstrengende Teil der Strecke ist geschafft und es eröffnen sich immer wieder fantastische Blicke auf die umliegenden Lienzer Dolomiten und die Karnischen Alpen sowie das Tiroler Gailtal. An exponierten Orten stehen für die Rast Bänke bereit. So auch bei Heinz Bodner, der etwas improvisiert: Auf halber Strecke serviert er uns auf einer Tischgarnitur vor einem Baucontainer eine Runde Zirbenschnaps, an den man in Osttirol nicht vorbeikommt. Dazu reicht uns Tausendsassa Bodner, Gastwirt, Hüttenwirt, Taxiunternehmer und Liftbetreiber, Brotzeiten. Frisch gestärkt blicken wir auf die Große Kinigat (2689 Meter), Pfannspitz (2678 Meter) und Roßkopf (2600 Meter), Berge in den Karnischen Alpen. Toller Ausgleich zum Skitouren gehen Weiter geht es zu den Breitwiesen, von denen ein kurzer Abstecher zum Gipfel des Dorfberges (2114 Meter) gut möglich ist. Auf dem gesamten Weg ist man weit weg von Trubel und lautem Alpintourismus. Man ist ganz bei sich und der Natur. „Winterwandern ist ein toller Ausgleich zum Skitouren gehen. Man wird schön langsam dabei. Man ist auch abgekoppelt von den Wetterverhältnissen, wenn es nicht gerade schüttet“, sagt Salcher. Danach geht es an den Abstieg in den Kartitscher Ortsteil Rauchenbach. Hier kehren wir zum Schluss beim Klammerwirt ein. Auf dem sonnengetränkten Balkon warten erneut Ausblicke auf die umliegende Bergwelt. Auf dem Gailbach Rundwanderweg steht die Geschichte im Vordergrund. In Kartitsch gibt es nur wenige dicht besiedelte Straßenzüge. „Kartitsch ist ein Streudorf, da es nur wenige ebene Flächen gibt“, erklärt Salcher. Die Höfe sind unregelmäßig verteilt, viele davon haben auf ihren Anwesen alte Kapellen. „Sie sind nicht nur Zeichen tiefer Religiosität, sondern auch ein stückweit von Bequemlichkeit. So sparte man sich den weiten Gang in die Kirche“, sagt Salcher mit einem Lächeln. Das Flüsschen, die kleine Gail, was „die Schäumende“, „die Wilde“ bedeutet, ist Wegbegleiter. Eine bäuerliche Mühle zeugt von der Bedeutung der Wasserkraft. Geschichte und Kunst auf den Wegen Kunst und Panoramablicke bietet der „Ossi-Kollreider-Weg“. Kollreider ist ein 2017 verstorbener Maler aus Kartitsch. Der Weg ist eine Freiluftgalerie am Sonnenhang. Sieben Werke sind von ihm am Wegesrand ausgestellt, dazu gibt es 40 Fresken und Sgraffitos des Künstlers an den Hausfassaden zu entdecken. Chris Sternitzke Die Reise wurde mit freundlicher Unterstützung des Tourismusverbandes Osttirol organisiert. Schnee, Ruhe und Landschaft zählen beim Winterwandern. Foto: Frank Stolle

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