Niederbayern neu gedacht 01.11.2022

22 „So, also hier verläuft die alte Landkreisgrenze“, sagt Alexander Peintinger. Und legt wie zum Beweis noch ein Holzscheit zwischen seine Füße. Und damit verlief früher auch hier die Bezirksgrenze. Sein jüngster Sohn Theo stünde also in Niederbayern, der ältere Leopold in der Oberpfalz. Peintinger grinst. Er hat ein Bein hüben, eins drüben. chon immer verlief die Grenze durch das Grundstück. Aber wirklich berührt hat das nie jemanden. Nicht den Großvater, der hier einst direkt am Ufer ein Haus errichtet hat. Das Grundstück ist langgezogen. Der Garten, in dem früher Gemüse angebaut wurde, lag in Chamerau, das Wohnhaus in Hörwalting. Die selbstgezogenen Kartoffeln und Rüben erntete der Opa also in Niederbayern. Zumindest bis zum Jahr 1972. Dann machte die Landkreisreform den Grenzgängen in den Garten ein rasches Ende. Es wuchs zusammen, was schon immer zusammen war und fortan lag der Gemüsegarten ebenfalls in der Oberpfalz. Eine Mischehe Peintingers Ehefrau Astrid beispielsweise stammt aus Niederbayern, hat aber eine waschechte Oberpfälzerin aus Weiden zur Mutter. Die hat sich wiederum ihren Mann aus der Oberpfalz geangelt, als dieser beruflich dort tätig war. „Eigentlich hätten sie zu dem Festakt am 1. Juli die Kötztinger nicht einladen sollen“, scherzt ein Freund am Tisch und grinst. Er stammt aus Furth im Wald, dort hatten sie schon immer den Hang nach Cham. Oberpfälzer also. Die Streitereien von einst liegen ein halbes Jahrhundert zurück. Niemand nimmt sie mehr ernst, nur hie und da brechen alte Wunden auf, aber sie schmerzen nicht mehr so arg. Peintinger ist Lehrer von Beruf. Das mit dem Erklären ist chronisch. Aber er nimmt sich zum Glück selbst nicht ernst genug. Darauf deutet auch noch eine Begebenheit hin, die sich da an der geschichtsträchtigen Grenze zwischen Niederbayern und Oberpfalz ereignet hat. Und die geht so: Peintinger hat im Bauch seiner niederbayerischen Mutter, damals noch wohnhaft in Chamerau, den Landkreis verlassen – also auch den Bezirk – und ist nie wieder in die Heimat Niederbayern zurückgekehrt. Weil Mama Peintinger eine Hebamme aus Cham hatte, fuhr sie zum Entbinden nach Cham und nicht wie sonst die Chamerauer Gebärenden nach Kötzting. Und so kam am 28. Juni 1972, drei Tage vor der Gebietsreform, der kleine Alex zur Welt. Als Oberpfälzer. Und als die Mama mit dem Säugling ein paar Tage darauf wieder heimkehrte, da war Niederbayern ein Stück weiter weg. Und der Bub wuchs in der Oberpfalz auf. Die Grenzgänger Von Jasmin Gassner Quer durch den Gemüsegarten verlief früher die Grenze zwischen Niederbayern und der Oberpfalz. Dort, wo heute Alexander Peintingers Auffahrt liegt S KÖTZING- Themenseite Plötzlich nicht mehr Niederbayern Dass ihnen die ursprüngliche Landkreiszugehörigkeit, eine Vielzahl politischer Mandate und die Selbstständigkeit ihrer Gemeinden genommen wurden, war für viele Bürger 1972 schon schlimm genug. Noch eine Stufe „härter“ erwischte es bei der Gebietsreform in Niederbayern aber die Kötztinger: Denn plötzlich, von einem Tag auf den anderen, waren 33 000 eingefleischte Niederbayern genau das nicht mehr. Rein rechtlich zumindest. Rein rechtlich waren sie nun Oberpfälzer. Der gesamte Landkreis Kötzting – mit Ausnahme der Gemeinde Lohberg – wurde mit der Gebietsreform dem oberpfälzischen Landkreis Cham beziehungsweise Regen angegliedert. Kein Umstand, den viele Bürger so einfach akzeptieren wollten. Ähnlich wie den Kötztingern ging es übrigens unter anderem den Bewohnern des Markts Au in der Hallertau. Statt zur Oberpfalz gehörten sie seit dem 1. Juli 1972 nicht mehr zu Nieder-, sondern zu Oberbayern (Landkreis Freising). i Die gelbe Linie markiert den einstigen Grenzverlauf zwischen den Verwaltungsgemeinden. Sie waren maßgeblich für den Landkreis vor 1972 und die Bezirksgrenzen. Sie verlief zwischen Peintingers Wohnhaus und Gemüsegarten. (Quelle: GeoBIS-Cham) Walter Föckersperger GmbH Eberspointer Str. 6 84189 Pauluszell www.foeck.com Maschinen für den Netz- und Infrastrukturausbau Jobs: wir suchen Metallbauer und Schweißer m/d/w AZUBI Metallbauer Nutzfahrzeugtechnik m/d/w �kuro Lu rt r M e t a n r n k a t k r en a h c ilt a a tS Tourist-Info Mitterfels Burgstraße 1 • 94360 Mitterfels • Tel.: 09961 / 9400 - 24 aumer@mitterfels.de • www.mitterfels.de Besuchen Sie uns im Luftkurort Mitterfels · Naturnahe Rund- und Fernwanderwege · Natur-Erlebnis-Pfade · eigene Wanderkarte · Radfahren am Donau-Regen-Radweg · Nordic-Walking am Radweg und auf allen Wanderwegen · Nordic-Walking-Karte · sehenswerte Burganlage mit Burgmuseum · gut bürgerliche Gastronomie 23 Die Kötztinger haben sich Anfang der 1970er Jahre gar nicht mal so leicht getan mit der Gebietsreform: Dass der damalige Landkreis Kötzting fortan nicht mehr niederbayerisch sein sollte, sondern der Oberpfalz zugehörig, war für viele ein Affront. War man doch der Überzeugung, dass es eine „Gnade“ sei, Niederbayer zu sein, Oberpfälzer indessen war ein „Schicksal“. Es war die Zeit der Lokalpatrioten. anz anders war indessen die Stimmung im Hohenbogenwinkel, erinnert sich Haymo Richter, Lokalpolitiker, Fußballfunktionär und Kötztinger Institution. „Die Further und Neukirchner zog es nach Cham“. „Mir war schon auch bewusst, dass der Weg eigentlich nur nach Westen führen kann“, sagt Richter. „Wir hatten die Grenze im Rücken. Cham war schon immer Handelsstadt, ein Mittelzentrum mit langer Tradition ...“ Und so traf sich der damalige Stadtrat der Vereinigung Unabhängiger Gemeinderäte (VUG) irgendwann 1970/71 mit dem späteren Landrat Ernst Girmindl in Furth im Wald – zum „Beschnuppern“. Die Grenzen waren noch lange nicht „ausg’schmatzt“. Und wenn im Herzen des Altlandkreises schon die Wogen hochkochten, dann an seinen Rändern erst recht. Lohberg scherte aus und klammerte sich an den Arber und somit an den neu geschaffenen Landkreis Regen. Eine Entscheidung, die erst im Jahr 1978 revidiert wurde. Selbiges galt für viele weitere Grenzorte. „Da ist viel geschachert worden mit so manchem Pöstchen und Anwesen“, plaudert Richter aus dem Nähkästchen. Ein Ort, an dem es unter den Bürgern laut krachte, war Wettzell. Nur ein paar Kilometer durch den Wald bergauf liegt das Dorf an der Grenze zu Viechtach. „Die Wettzeller haben zweimal abgestimmt, dass sie zu Kötzting gehören wollen“, erinnert sich Richter. „Sie sind aber mit Schönau zusammen in eine Verwaltungsgemeinschaft gespannt worden. Ein Unding“, fand Richter. „Es gab da keine gewachsene Beziehung. Noch nicht mal eine Straße.“ Dennoch erhält Richter damals „Morddrohungen“, so heiß geht es her. Er erinnert sich noch an einen Abend mit dem Staatssekretär Kiesl in der Jahnhalle in Bad Kötzting. Die Stimmung kochte und die Frau des damaligen Wettzeller Bürgermeisters rät Richter, sich ja nicht mehr nach Wettzell zu trauen. „Sonst passiert dir was...“ Aber Richter lässt sich nicht beeindrucken. Es ist die Zeit, da auch an anderen Ortsschildern plötzlich Tafeln auftauchen. „CSUfreie Zone“ oder „Durchfahrt für CSUler verboten“. Der Volkszorn richtete sich gegen die Bayerische Volkspartei, die die Reformen betrieb. „Das Gebiet war durchlöchert wie Schweizer Käse“ Haymo Richter Einzig die Fußballer, denen Richter vorstand, die wollten sich so gar nicht beugen. „Was den Sport betrifft, schlug mein Herz einfach niederbayerisch“, sagt er mit zusammengekniffenen Augen und einem Grinsen um den Mund. Richter zuckt mit den Schultern. „Was wird mit den Vereinen?“, war die Frage schlechthin. „Wir bleiben bei Niederbayern und basta!“. Die Linie war vorgegeben, der Sport wollte sich nicht an den politischen Grenzen orientieren, sondern die Fußballer machten im Bezirk einfach ihre eigenes Ding. „Wir wollten einen vernünftigen Spielbetrieb, wie wir es gewohnt waren.“ Auf und neben dem Platz rumort es. Bei den Verbandstagen in München gibt es regelmäßig Anträge, die die Kötztinger Kicker abschmettern. Erst nach Jahrzehnten scherten die ersten aus, tanzten aus der Reihe. Der FC Chamerau wechselte den Bezirk. Bis schließlich die Phalanx erudiert. „Das Gebiet war durchlöchert wie Schweizer Käse“, sagt Richter. Und der Sport folgt schließlich den politischen Strukturen. Das „Kriegsbeil“ von einst ist längst begraben. Keine Rede mehr vom „Fußballkrieg“. Auch die Kicker sind jetzt in der Oberpfalz angekommen. Und niemanden juckt es mehr. Die Zeit der Lokalpatrioten Morddrohungen, verlorene Identitäten und Kötztinger Kicker, die sich gegen ihr oberpfälzisches Schicksal wehrten G Von Jasmin Gassner Haymo Richter (86) war Jahrzehnte lang Fußballfunktionär im Bezirk Niederbayern, Spielgruppenleiter und Vereinsvorstand. Für seine Verdienste um den Bayerischen Wald-Verein, bei dem er sich 30 Jahre lang in der Vorstandschaft engagierte und langjähriger Schriftleiter der Vereinszeitschrift „Der Bayerwald“ war, erhielt er 2006 den Kulturpreis des Wald-Vereins. Über 40 Jahre war der Bad Kötztinger in der Kommunalpolitik tätig, erhielt für sein ehrenamtliches Engagement viele Preise und Auszeichnungen. Richter ist unter anderem Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Quelle Archiv Otto SPANNER GmbH - Ergoldsbacher Str. 16 - 84092 Bayerbach ab sofort - Elektriker / Elektroniker für Betriebstechnik (m/w/d) - Facharbeiter der Metallverarbeitung (m/w/d) - Maschinen- und Anlagenführer (m/w/d) Infos unter Bewerbungen an www.spanner.de karriere@spanner.de

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