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Prost Zukunft! Zwei Generationen, eine Braukunst Braumeister Thomas Eichenseher (51) und die Auszubildende Stefanie Lichtl (17) im großen Doppelinterview Um eine Brauerei erfolgreich in die Zukunft führen zu können, braucht es natürlich nicht nur neue technische Errungenschaften, sondern auch das richtige Personal. Das Straubinger Tagblatt hat sich daher im Interview mit dem Karmeliten-Braumeister Thomas Eichenseher und der ersten weiblichen Auszubildenden der Brauerei, Stefanie Lichtl, unterhalten. 30 Jahre Erfahrung und Leidenschaft für den Beruf treffen dabei auf Neugier, Begeisterung und jede Menge Frauenpower. Stefanie, was waren Deine Beweggründe, Dich für eine Ausbildung zur Brauerin zu entscheiden und wie waren die Reaktionen in Deinem Umfeld? S t e fan ie L i cht l : Hauptsächlich wollte ich etwas Handwerkliches machen. Ich hatte im Vorfeld ein Praktikum gemacht und da war mir klar, dass Brauerin das Richtige für mich ist. Meine Eltern haben das cool gefunden, der Rest meiner Verwandtschaft war leicht schockiert. Wieso schockiert? L i cht l : Weil sie sich ein Mädchen in der „Männerdomäne“ nicht vorstellen konnten. Herr Eichenseher, wann haben Sie Ihre Ausbildung als Brauer begonnen und was hat für Sie damals den Ausschlag gegeben? Thoma s E i chens ehe r : Bei mir war es so, dass schon mein Vater in einer Brauerei gearbeitet hat. Meine Ausbildung habe ich dann Anfang der 1990er Jahre bei Coca Cola gemacht. Danach habe ich an der IHK in Passau Betriebswirtschaft studiert und 2010 den Braumeister an der Doemens Akademie. Stefanie, hattest Du vor Beginn Deiner Ausbildung Befürchtungen, dass Du Dich in einer vermeintlichen Männerdomäne nicht zurechtfindest? L i cht l : Nein, überhaupt nicht. Ich war mir sicher, dass das gut laufen wird. Schon bei meinem Bewerbungsgespräch machten die Leute hier einen sympathischen Eindruck auf mich. Das hat mich dann in meiner Entscheidung bestärkt. Wie sieht es denn der Ausbilder? Wieso fiel Ihre Entscheidung auf Stefanie, Herr Eichenseher? E i chens ehe r : Ich war immer davon überzeugt, dass auch Frauen in dieser vermeintlichen Männerdomäne sehr wohl eine Chance haben. Zumal sich der Beruf inzwischen so gewandelt hat, dass dafür nicht mehr so viel Muskelkraft notwendig ist. Dass das super funktionieren kann, beweist ja die Stefanie, obwohl es am Anfang schon den einen oder anderen Skeptiker gab. Inwiefern? E i chens ehe r : Ich habe am Anfang schon ein paar Vorbehalte mitbekommen. Stefanie hat aber mittlerweile sämtliche Kollegen durch ihre Lernbereitschaft und ihren Ehrgeiz überzeugt. Erst vor Kurzem kam ein Mitarbeiter zu mir und meinte, dass er erst sehr skeptisch war, ob eine Frau diesen Job packen würde. Aber mittlerweile hat er das völlig revidiert und ist absolut begeistert. Solche Rückmeldungen bestärken mich darin, dass meine Entscheidung richtig war, Stefanie die Ausbildungsstelle zu geben. Wann hast Du denn Deine Ausbildung begonnen und wie wurdest Du von den Kollegen aufgenommen, Stefanie? L i cht l : Ich habe die Ausbildung im September 2021 begonnen. Man hat schon gemerkt, dass die Kollegen am Anfang mir gegenüber ein bisschen skeptisch waren, aber das hat sich dann wirklich schnell gelegt. Werfen wir den Blick mal zurück, Herr Eichenseher. Wie hat sich denn die Ausbildung zum Brauer im Vergleich von Ihrer Anfangszeit zu heute verändert? E i chens ehe r : Zu meiner Ausbildungszeit war das ComputerAuszubildenden sich dort auch sprachlich in Englisch weiterbilden. Fliegen die Auszubildenden alleine in die USA? E i chens ehe r : Wie das dann bei der Stefanie laufen wird, weiß ich noch nicht. Bei unserem letzten Auszubildenden bin ich mitgeflogen, weil er wegen seiner mangelnden Englischkenntnisse ein bisschen Angst davor hatte, alleine in die USA zu reisen. Aber vielleicht sagt ja die Stefanie auch, sie will mich da gar nicht dabeihaben, weil sie nicht mit ihrem „Großvater“ fliegen will. (lacht) Stefanie, wie fällt denn Dein erstes Zwischenfazit nach gut einem halben Jahr Ausbildung zur Brauerin bei Karmeliten aus und hast Du schon Ziele für Deine weitere berufliche Laufbahn? L i cht l : Ich finde alles interessant, was mit Handwerk zu tun hat. Deswegen habe ich den Beruf auch gewählt. Auch, dass dabei doch recht viel das Fach Chemie mit reinspielt, mag ich. Das hat mich immer schon interessiert. Was ich nach der Ausbildung mache, weiß ich jetzt noch nicht. Die Idee zur Braumeisterin habe ich aber schon. Man hört ja immer wieder, dass es im Handwerk an Personal mangelt. Wie ist denn die aktuelle Lage auf dem Ausbildungsmarkt der Brauer? E i chens ehe r : Wir haben tatsächlich keine Probleme damit, Nachwuchskräfte zu bekommen. Wir bekommen bis zu 15 Bewerbungen auf einen Ausbildungsplatz und davon sogar einige ohne Stellenausschreibung. Was ist Ihrer Vorstellung nach die Brauerei der Zukunft? Wohin geht die Reise? E i chens ehe r : Was das Bierbrauen selbst anbelangt, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich da sonderlich viel ändern wird. Man ist da in der Vergangenheit immer wieder zu den Grundsätzen zurückgekehrt, weil diese sich einfach am besten bewährt haben. Das Thema Energie wird aber wohl ein Kernthema der Zukunft werden. Wir haben uns ja deshalb die Marke „energieautarke Brauerei“ auf die Fahne geschrieben. Da sind wir auf einem sehr guten Weg, weil wir viele Dinge haben, die andere noch nicht haben, wie zum Beispiel die Biogasanlage. Matthias Jell selbst bin immer schon bekennender Weißbier-Trinker. Die Karmeliten-Brauerei kooperiert ja mit der US-amerikanischen „Urban Chestnut Brewing Company“. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit dürfen Azubis von Karmeliten auch für zwei Wochen zu der Brauerei nach St. Louis. Weißt Du schon, wann Du über den großen Teich darfst und welche Erwartungen hast Du an amerikanisches Bier, Stefanie? L i cht l : Wann ich in die USA darf, weiß ich noch nicht. Mich interessiert vor allem, was die Brauer dort anders machen als hier. Auf die Erfahrung freue ich mich auf jeden Fall schon sehr. Wie wichtig ist es für Sie als Ausbilder, dass Ihre Auszubildenden diese Möglichkeit bekommen, Eindrücke einer Brauerei in einem anderen Land aufzusaugen? E i chens ehe r : Das ist mir extrem wichtig, weil man sieht, dass die Auszubildenden ganz anders und weiterentwickelt wieder zurückkommen. Man erkennt halt auch schnell, was bei so einer Brauerei in den USA nicht so gut läuft. Vom Bierbrauen abgesehen ist es uns auch wichtig, dass die härter ist als in anderen Brauereien, weil wir ein relativ kleiner Betrieb sind. Rumstehen und ein bisschen zuschauen geht da nicht. Unsere Auszubildenden müssen also überall mit anpacken. Dadurch sammeln sie aber viele wichtige Erfahrungen in der Praxis und nicht nur in der Theorie. Was war das für Dich für ein Gefühl, das erste Bier zu trinken, an dessen Entstehung Du selbst mitgewirkt hast, Stefanie? L i cht l : Das erste Bier, an dem ich mitgearbeitet habe, hat mir schon besonders gut geschmeckt. Was magst Du denn am Geschmack von Bier besonders? L i cht l : Mir schmeckt das Urtyp vom Karmeliten am besten. Ich mag diesen etwas bitteren Geschmack vom Bier. Und wie ist es bei Ihnen, Herr Eichenseher? E i chens ehe r : Ein gutes Bier ist für mich ein gut trinkbares Bier. Dass man nach einem oder zwei sagt, man hätte jetzt gerne noch eines. Geschmack ist natürlich ganz wichtig. Mir ist schon klar, dass unsere Biere jetzt nicht den Geschmack von jedem treffen, aber vielen schmeckt es. Ich das dir bis jetzt noch schwer fällt? L i cht l : Generell finde ich, muss man in meiner Ausbildung in allen möglichen Bereichen relativ viel wissen. Sich da immer alles zu merken und dann zum Beispiel den einen Wechsel zuzuhaben, den anderen aber offen, das fällt mir bis jetzt noch schwer. Nachhaltigkeit spielt hier in meiner Ausbildung schon eine große Rolle. Welchen Stellenwert nimmt das Thema denn in der Berufsschule ein? L i cht l : Im Unterricht selbst bis jetzt noch keinen wirklichen. Aber unter den anderen Auszubildenden ist es schon immer wieder mal Thema. Ich glaube, nicht viele Brauereien haben eine Biogasanlage so wie wir das bei Karmeliten haben. Geht die Karmeliten-Brauerei Ihrer Einschätzung nach bei der Ausbildung etwas andere Wege als andere Brauereien, Herr Eichenseher? E i chens ehe r : Sehe ich nicht so. Wir haben einen ganz normalen Rahmenlehrplan, an den wir uns halten. Was aber schon eher der Fall ist, dass die Ausbildung bei uns vielleicht ein Stück weit zeitalter natürlich noch längst nicht so ausgeprägt wie heute. Die Anforderungen haben sich seitdem erweitert. Früher reichte ein Hauptschulabschluss für die Ausbildung völlig aus. Mittlerweile ist das digitale und technische Spektrum aber so erweitert worden, dass die Mittlere Reife deutlich von Vorteil ist. Ist die Mittlere Reife also Grundvoraussetzung für die Ausbildung zum Brauer beziehungsweise zur Brauerin? E i chens ehe r : Eine gesetzliche Voraussetzung gibt es dafür nicht. Aber anhand meiner Erfahrung ist das so meine persönliche Einstellung. Die Grundfächer Physik, Mathe, Biologie und Chemie sind in dem Beruf schon wichtig. Dann hat man in der Ausbildung relativ wenig Probleme. Nachhaltigkeit ist ja ein zentrales Thema der KarmelitenBrauerei. Inwiefern merkst Du das bereits in Deiner Ausbildung, Stefanie? Gibt es etwas, Foto: Matthias Jell/Grafik: AdobeStock/Zenina 32 Die energieautarke Brauerei 33 Die energieautarke Brauerei 8A6LniQo

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