Bayerns Bestes - Leseprobe

Da ziehst du nur knapp 1 000 Kilometer von Schleswig-Holstein nach Süden, und beim Aussteigen heißen die Klöße plötzlich Knödel. Dafür werden sie hier viel mehr geschätzt, vor allem in ihrer vollendeten Form, der Scheibe. In Kugelform, scheint mir, achtet man den Kloß im Norden etwa ebenso sehr wie den Knödel in Bayern. Wenn aber im Norden ein Kloß übrigbleibt, lässt man ihn einige Tage herumliegen, rudert hilflos mit den Armen und wirft ihn irgendwann den Tieren zum Fraß vor. In Bayern hingegen schneidet man die Restknödel, nachdem man die Nacht vorfreudig glucksend und schlaflos verbracht hat, am nächsten Morgen in Scheiben, wirft sie in die Pfanne und röstet sie goldbraun an. Aus einer schnöden gekochten Teigkugel wird ein vom Himmel geküsstes Meisterstück! Wie unerfahren man im Norden mit der Herstellung von Knödeln ist, belegt ein Erlebnis auf einer ostfriesischen Insel. Der gebürtige Franke G. fragte dort in einer Bäckerei nach Knödelbrot. Die Verkäuferin sah ihn ebenso hilfsbereit wie hilflos an und fragte dann: »Meinen Sie Paniermehl?« Meinte er aber natürlich nicht, der Franke, kaufte schließlich beträchtliche Mengen frischen Weißbrots, zerzupfte dieses, buk es im Ofen sacht an und machte daraus – mischend, knetend, formend – bald ganz zauberhafte Knödel. Vielleicht die ersten, die die Nordseeinsel je gesehen hat. Auf jeden Fall die besten. Knödel Rund geboren, in Scheiben in der Pfanne zur Vollendung gebracht: die Freistaats-Nationalkugel Unser Autor PHILIPP SEIDEL träumt davon, als Verneigung vor der Speise eine Oper über Knödelgröstel zu schreiben ME I N BAYERN 26 BAYERNS BESTES

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